post by Matthias Rädle
Das Schlagwort künstliche Intelligenz ist inzwischen in aller Munde und ist auch für den Arbeitskreis Prozessanalytik ein hochaktuelles Thema. Wie schon auf unserer Homepage und in unserem LinkedIn-Account dargestellt, haben wir in letzter Zeit mehrere Arbeitsgruppen gegründet, die sich mit speziellen Themen aus dem Gesamtumfeld der PAT befassen. Eine dieser Arbeitsgruppen ist die AG KIPAT, die sich mit der künstlichen Intelligenz in der Prozessanalysentechnik befasst. Augenblicklich wirken in der Arbeitsgruppe mit: Maik Müller, Eva Krolitzky, Felix Schlecht, Tobias Schenk und Matthias Rädle. Unterstützt werden wir fachlich noch aus CeMOS von Prof. Oliver Wasenmüller, Felix Wühler und Pooja Kumari. Die Arbeitsgruppe trifft sich regelmäßig zunächst vierzehntägig.
Wir wollen erarbeiten, welche Methoden der KI sich ganz speziell in der PAT anwenden lassen. Dabei wollen wir nicht neue mathematische Algorithmen entwickeln, sondern eine möglichst einfache und breite Anwendungsbasis der KI in der PAT finden. Dies bedeutet, dass wir versuchen, einen einfachen Weg aufzuzeigen, wie möglichst mit kostenlosen Bibliotheken ein auch für den digitalen Laien verständliches Vorgehen erarbeitet werden kann und neue Applikationen ermöglicht werden. Ein Schwerpunkt der Diskussion liegt darin, zu identifizieren, in welchen Feldern und mit welchen Anwendungen die KI in der PAT Fuß fassen kann. Durchforstet man hier die Literatur, findet man als hauptsächliche Anwendungen Gesichtserkennung, Fingerabdrücke und andere populäre Beispiele. Aus Verfahrenstechnik und Prozessanalysentechnik findet sich kaum etwas. Diese Lücke wollen wir füllen.
Die Beteiligten der AG kommen aus unterschiedlichen Industrien und Hochschulen, teilweise sind sie noch im Studium oder haben nach einem Industrieaufenthalt wieder ein Studium aufgenommen. Damit sichern wir den Blick aus allen Richtungen. Wir schauen auf die Möglichkeiten in der akademischen Welt, sichten wissenschaftliche Literatur, zeigen uns aber auch interessiert an pragmatischen Lösungen für die täglichen Probleme im Industrieeinsatz. Aktuell wird ein Thesenpapier erstellt, welches die ersten Ergebnisse zusammenfasst. Die Anwendungen in der PAT sind natürlich in einer der ersten Prioritäten mit Bildanalyse verknüpft. Sowohl die KI als auch insbesondere KI in Verbindung mit preiswerten Kameras und hochrobusten, aber preiswerten Mikrocomputern ermöglichen Systemlösungen, die es vor wenigen Jahren noch nicht gab. Es ist nun möglich und preislich erschwinglich, z. B. etliche Webcams zusammenzuschalten und damit dreidimensionale und bewegte Vorgänge zu erfassen, und instantan, also über Edge Computing oder auch über cloudbasiertes Computing auszuwerten und in Form einfacher Ergebnisse weiterzugeben.
Die Diskutanten sind der Meinung, dass wir in naher Zukunft eigentlich hoch komplexe Geräte deshalb extrem preiswert zur Verfügung haben werden, weil die Universalität der Einsetzbarkeit von Standardelektronik/Optik eine Stückzahl von vielen Millionen in der Produktion ermöglicht. Zu Preisen von 2022 kostet die Hardware für eine Kamera mit z.B. 8 Mio. Bildpunkten mit Objektiv und zugehörigem Computer weniger als 100 €. Damit lassen sich Anwendungen realisieren, die es u. a. ermöglichen, auch Messgeräte, die aktuell nicht an Prozessleitsysteme angekoppelt sind, nachträglich auszurüsten. Auch wenn eine solche Vorgehensweise wie von hinten durch die Brust ins Auge erscheint, könnte eine Webcam mit gesicherter Funkanbindung einfachste Messaufgaben wie die Ventilstellung oder das Auslesen eines Schwebekörper-Durchflussmessers oder das Ablesen eines Manometers billiger realisieren als klassische Möglichkeiten des Legens einer Datenverbindung über Leitungen und Auflegen der Signale auf SPS oder PLS. Ganz im Sinne eines SMART Monitoring.
Die KI-Möglichkeiten in der PAT sind jedoch noch deutlich vielfältiger. Wir gehen davon aus, dass wir mit den Fluktuationen zeitlich hoch aufgelöster Sensorsignale, wie z. B. von optischen Rückstreusensoren, Scannern oder Zeilenkameras in der Lage sein werden, die Möglichkeiten der Prozessüberwachung gegenüber dem aktuellen Stand der Technik erheblich zu ergänzen.
Auch aus volkswirtschaftlicher Perspektive sehen wir die Aufgabe der KIPAT darin, Produktionen so weit automatisierbar zu gestalten, dass die Herstellkosten sehr viel stärker von Abschreibung auf Investitions- als von Lohn-/Stückkosten geprägt sind. Gelingt dies, so ist die natürliche Folge ein Zurückholen vieler Produktionen aus Drittweltländern nach Zentraleuropa, z. B. Deutschland. [Anmerkung: Ist dieser Satz nicht zu politisch? Alternative: Gelingt dies, so wird lokale Produktion wieder wettbewerbsfähiger.] Die Weiterentwicklung der Computertechnologie macht die Anwendung der KI in der PAT zu einem Thema, dessen Ende nicht absehbar ist. Wir halten es deshalb für richtig, sich hier und jetzt in einer AK PAT-Arbeitsgruppe damit zu beschäftigen.
Gerne laden wir, die aktuellen Teilnehmer der Arbeitsgruppe, weitere Interessenten ein, sich unseren Arbeiten anzuschließen. Dies kann als permanentes Mitglied in der Arbeitsgruppe sein oder auch als Gast mit einem speziellen Themenvorschlag, der jedoch vor der entsprechenden Sitzung angekündigt werden sollte. Wir freuen uns auf Eure Beteiligung.