Jahresbericht 2015

Für die Prozessanalytik ist eine sehr spannende Zeit angebrochen, denn Ihre Prozess‐Sensoren werden jetzt „smart“: Neben der eigentlichen Messfunktion werden die Sensoren mit neuen Funktionen und Kommunikationseigenschaften ausgestattet und bilden damit die Grundlage für flexibilisierte Automatisierungskonzepte. Dies von der Versuchsplanung und der dynamischen Prozesssimulation bis hin zu einer modell‐ und datengetriebenen Prozessführung, so dass am Ende sogar neue Prozesstopologien möglich werden. Die Thematik wird damit aber auch deutlich komplexer, sodass tragfähige Konzepte zunehmend nur in enger Zusammenarbeit von Fachleuten verschiedener Disziplinen entstehen können. Im Arbeitskreis Prozessanalytik sind daher neben den Naturwissenschaftlern auch viele Experten aus transdisziplinären Fachrichtungen wie etwa der
Verfahrenstechnik vertreten, die nach wie vor einen unverzichtbaren Beitrag leisten. Bei der Gründung des Arbeitskreises vor ziemlich genau 10 Jahren wurde ebenfalls erkannt, zukunftsfähige Lösungen für die komplexen Fragestellungen, die das Themenfeld Prozessanalytik mit sich bringt, nur durch einen hohen Vernetzungsgrad von Forschern, Geräteherstellern sowie industriellen Anwendern im „Trialog“ gefunden werden können. Diesen wurde mit dem Arbeitskreis eine Plattform geschaffen. Anlässlich des Jubiläums sei auch an dieser Stelle sei die Gelegenheit genutzt, allen Mitgliedern und Wegbegleitern ausdrücklich zu danken, die durch ihren persönlichen Einsatz
dazu beigetragen haben, den Arbeitskreis zu dieser außerordentlich aktiven Plattform auszugestalten und die Prozessanalytik von einem technischen Werkzeug zu einer international beachteten Zukunftsbranche zu entwickeln.

Industzrie 4.0 auf dem 9. Interdisziplinären Doktorandenseminar 2015 in Berlin

Das interdisziplinäre Doktorandenseminar, das unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern mittlerweile als echter Geheimtipp gehandelt wird, startete dieses Jahr gleich in medias res mit einem Design‐Thinking‐Workshop zum Thema „Prozessanalytik für Industrie 4.0“. Nach einem Impulsvortrag ging es gleich an die mehrstufige Konzeptgestaltung der drei Schwerpunktthemen: Im Modellversuch „Das Netzwerk der Sensoren“ wurde das Zusammenwirken und die Fusion von Sensordaten mit weltweitem Wissen aus der „Cloud“ durch ein kompliziert verschachteltes Gebilde aus Pfeifenputzern und Büroklammern als Messkette dargestellt, sodass der Weg der Wertschöpfungskette vom Rohstoff zum Endprodukt in seiner Komplexität greifbar wurde. Die Gruppe „Intelligente Prozesse“ modellierte ganz ähnlich eine intelligente Prozessanlage zur Erzeugung von Bier, die mit Rezepturdaten, der Rohstofflogistik und allen Produktdaten in einer Cloud verbunden ist. Die Steuerung erfolgte hier über Regler zur Vorgabe von Produkteigenschaften und vor allem über das direkte Feedback der Kunden bzw. Konsumenten aus der Cloud. Was hier noch Fiktion war ist übrigens bereits als neues Geschäftsmodell im Internet zur Realität geworden. Eine „brennende Fabrik“ war schließlich das Kernstück des Modells der Gruppe „Kommunikation zwischen Mensch und Maschine“: Als Interfaces standen Virtualisierungsbrille (im Tigerfell‐Look),
Touch‐Watch, Smartphone und Tablett zur Verfügung. Nun wartet bereits das 10. Doktorandenseminar, das vom 28. Februar bis 01. März 2016 in Berlin in
besonders festlichem Rahmen stattfinden wird und wieder in Zusammenarbeit mit den kjVIs organisiert wird. Auch 2016 soll wieder ein Design‐Thinking‐Workshop stattfinden.

ANAKON 2015 in Graz – Session Prozessanalytik des AK PAT
Die Session Prozessanalytik widmete sich in diesem Jahr zwei Themenschwerpunkten. Zum einen war eine Reihe von Fortschrittsberichten zu wichtigen Methoden der industriellen Analytik zu hören. Zum anderen stand eine Minisession zum Thema Ressourcenanalytik im Fokus. Es wurde zum Beispiel aufgezeigt, welches Potenzial für den Bergbau‐ und Aufbereitungstechnologien mit Hilfe von Online‐ Verfahren bestehen. In einer Reihe von weiteren spannenden Fortschrittsberichten und einer beträchtlichen Zahl von Posterbeiträgen wurde das Thema abgerundet. Prozessanalytik als eines der Leitthemen auf der ACHEMA 2015 Die Prozessanalytik durfte zusammen mit zwei weiteren Schwerpunktthemen auf der ACHEMA 2015 in Frankfurt a. M. einmal mehr im Mittelpunkt stehen: Am 17. Juni 2015 hatte der Arbeitskreis gemeinsam mit den ACHEMA‐Organisatoren einen Thementag „Innovative Process Analytical Technology” mit internationalen Experten gestaltet, der durch zwei Fachsessions zu den Themen „Data Analysis and Process Control“ und „Measurement and Testing Technologies“ abgerundet wurde. Dabei war nicht nur die Keynote „Chemometrics for Process Modelling and Control” gut besucht. Insbesondere auch durch die Nähe der Vortragsräume zu den thematisch nahen Messehallen wurden durchweg alle Sessions von einer großen Teilnehmerzahl wahrgenommen, oft von bis zu hundert Expertinnen und Experten. Am 18. Juni wurde das Programm mit einem “Praxisforum Innovative Process Analytical Technology” mit 16 hervorragend angenommenen und
ausführlich diskutierten Beiträgen fortgesetzt.

„Zeitgemäße Bioprozessanalytik“ auf dem Wissenschaftsforum der GDCh in Dresden
Auf dem Wissenschaftsforum (WiFo) in Dresden gestaltete der Arbeitskreis erstmalig eine eigene Session. Eröffnet wurde diese mit einem Übersichtsvortrag zum Titelthema „Zeitgemäße Bioprozessanalytik – Methoden für schnellere Prozessentwicklung und robustere Bio‐Prozesse“. Es folgten drei wissenschaftliche Beiträge über spektroskopische Methoden in der BioTech‐Produktion, die Herausforderungen der Prozessautomatisierung in der Lebensmitteltechnologie und über robuste modellbasierte Prozessführung während der Fermentation. Es wurde aufgezeigt, wie die Bioprozessanalytik durch die kontinuierliche Messung der Zusammensetzung der Medien die Regelung eines Prozesses ermöglichen und damit die gewünschte Produktqualität bei optimaler Ausnutzung von Rohstoffen, Energie und Produktionsanlagen sicherstellen könnte. Für eine Umsetzung ist heute jedoch weder das mechanistische Modellverständnis ausreichend noch eine direkte Quantisierung der Zielproteine möglich. In den Vorträgen wurden jedoch aktuelle Anwendungsbeispiele gezeigt, wie in der Biotechnologie schon heute Produktionssysteme gezielt gefahren und maßgeschneiderte Produkte hergestellt werden können. Im Rahmen des GDCh‐Wissenschaftsforums in Dresden konnte der mit je 1.000 € dotierte Prozessanalytik‐Award 2015 des Arbeitskreises Prozessanalytik dieses Jahr an zwei Preisträgerinnen verliehen werden. Die Preisverleihung fand bereits zum siebten Mal statt. Der Preis wird für die besten Qualifizierungsarbeiten auf dem Gebiet der Prozessanalytik im zurückliegenden Jahr
vergeben. Ein Preis wurde verliehen an Frau MSc. Betina Kessler, TU München für ihre Masterarbeit: ,,Multikomponentenanalyse von Energy Drinks mit Hilfe multimodaler optischer Spektroskopie und chemometrischer Verfahren“. Ihre Masterarbeit fertigte Frau Kessler an der Technischen Universität München, Forschungszentrum Weihenstephan f. Brau‐ und Lebensmittelqualität bei Prof. Dr.‐Ing. F. Jacob an. Einen weiteren Preis erhielt Frau DI Karin Wieland für ihre Diplomarbeit ,,Hyperspectral Imaging of Hyphae and Spores of Penicillium Chrysogenum using Confocal Raman (Micro‐)spectroscopy”, die an der Technischen Universität Wien, lnstitut für Chemische Technologien und Analytik entstanden ist. Betreuer war Prof. Dr. B. Lendl. Die Arbeit wurde in wissenschaftlicher Zusammenarbeit mit Sandoz AG und Prof. Christoph Herwig (Bioprozesstechnik, TU Wien) durchgeführt.

11. Kolloquium Prozessanalytik in Wien mit dem Themenschwerpunkt „Vom Sensor zur
Prozessintelligenz“
Wichtigstes Forum ist nach wie vor das jährliche Kolloquium des Arbeitskreises, welches in diesem Jahr am 1. und 2. Dezember in Wien stattfindet. Das 11. Kolloquium wird eine Diskussionslinie entlang der Wertschöpfungskette vom smarten Sensor bis zur Prozessintelligenz aufspannen. Der bereits eingangs erwähnte smarte Sensor misst mehrere Messgrößen, kalibriert und optimiert sich selbst, ist leicht in Anlagen zu integrieren und erhält seinen Betrieb selbständig. Die Prozessintelligenz ist geeignet, aus den multisensorischen und multivariaten Messdaten übergeordnete Informationen zu generieren. Dies ermöglicht eine flexible aber zielgenaue, prädiktive Prozessführung, bei gleichzeitiger Berücksichtigung von Schwankungen, hervorgerufen durch die Prozessumgebung oder nicht konstante Zwischenproduktqualitäten, die zum Beispiel bei der
Verwendung natürlicher Rohstoffe vorkommen. Aber kann man zukünftig überhaupt selbstkalibrierende Sensoren erwarten und wie ist ihr Lebenszyklus‐Management zum Erhalt eines validen Mess‐Systems durch den Anwender gesichert? Mit knapp 40 Posterbeiträgen und einer zu erwartenden Teilnehmerzahl von rund 180 Teilnehmerinnen und Teilnehmern wird das Kolloquium an die guten Besucherzahlen im Jubiläumsjahr 2013 anknüpfen. Erstmalig wird das Kolloquium auch um eine Auftaktveranstaltung am Vortag (30.11.2015) erweitert. Zum einen wird eine Exkursion zur Borealis nach Schwechat zum Thema „OLPA: Online Prozess‐ Analytik in the Polymerindustrie“ angeboten. Parallel dazu wird in einem Konferenzvorkurs das Thema Ressourcenanalytik aufgegriffen. Die Ressourcenanalytik und insb. die Verwendung von entsprechenden online‐Verfahren wird immer bedeutender für Bergbau‐ und Aufbereitungstechnologien sowie für die Rohstoffgewinnung aus Sekundärrohstoffen. Sie bietet wegen der Komplexität der Matrix jedoch zugleich eine beachtliche Herausforderung. Im Rahmen des Konferenzvorkurses wird der aktuelle Stand der Technik zum Thema „Ressourcenanalytik“ anhand von Fachbeiträgen vermittelt und gemeinsam mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern über das Potenzial der Thematik diskutiert.

Mitgliederentwicklung und Ad‐Hoc‐Arbeitsgruppen

Im Jahr 2015 erfuhr der Arbeitskreis Prozessanalytik erneut einen Mitgliederzuwachs. Von Jahresbeginn an kletterte die Mitgliederzahl von 282 (49) auf 320 (63) zum Oktober 2016. Knapp 20% der Mitglieder gehören mittlerweile zur Gruppe der Studierenden oder Auszubildenden (Angaben in Klammern). Seit 2014 besteht für die Mitglieder die Möglichkeit in Ad‐Hoc‐Arbeitsgruppen aktiv mitzuarbeiten. So widmen sich zwei dieser Gruppen der „Miniaturisierung in der optischen Spektroskopie“ bzw. dem „Spannungsfeld zwischen daten‐ und modellbasierter Prozessführung“. Ergebnisse sind in Form von White‐Papers und Fortschrittsberichten für Anfang 2016 geplant. 2015 startete eine weitere Ad‐Hoc‐Gruppe zur Neugestaltung des Weiterbildungsangebots des Arbeitskreises.

 

Gezeichnet:
Elke Hilscher, Dr. Michael Maiwald, Dr. Jens Nolte, Dr. Thomas Steckenreiter
Vorstand des AK Prozessanalytik